Blendwerk in Blaugrün

by Kristin Schmidt

Zora Berweger, El Frauenfelder und Judit Villiger zeigen im Nextex neue Arbeiten. Die Ausstellung lässt sich als Beitrag zu einer alten Kunstdebatte lesen: Imitation oder Wahrheit oder beides?

Der Wettstreit der Künste ist alt und unentschieden. Immer wieder debattierten vor allem Maler und Bildhauer darüber, welche Kunstgattung der anderen überlegen sei. Die Gemüter erhitzten sich ob der Frage, wie intensiv der Ausdruck eines Werkes war, wie stark es wirkte und wie vollendet es die Natur nachahmte.

Im Nextex wird nun ein neues Kapitel des künstlerischen Fortsetzungsromans aufgeschlagen, allerdings ganz ohne Streit und ohne Rangliste, dafür unter dem Titel einer Bachkantate: In „Was frag ich nach der Welt“ wird dem irdischen Blendwerk abgeschworen, jenem falschen Schein, der doch so schön daherkommen kann wie etwa Judit Villigers Meteoriten. Wie galaktische Brocken liegen sie da und sind doch das Produkt eines langen und durchdachten künstlerischen Prozesses. Villiger hat sie zuerst aus Polyurethan geformt und dann im chinesischen Jingdezhen in Porzellan ausgeführt. Die Glasur des Porzellans hat Krakeluren, sammelt sich in kleinen Seen und wurde anschliessend noch übermalt. So lässt die Oberfläche jedes der identisch geformten Objekte einzigartig aussehen. Gleich einer geologischen Forschungsanordnung liegen sie nebeneinander und verbinden sich zu einer Landschaft. Zugleich ist jeder vielporige Quadratmeter selbst ein Landschaftsporträt: Mikro- und Makrokosmos liegen eng beieinander. So auch bei Zora Berweger. Grünes Dickicht dominiert zwei ihrer Bilder. Sie lassen sich ebensogut als Porträts eines Gartens lesen wie als botanische Nahaufnahmen. Die Arbeiten sind wie bei Villiger das Ergebnis eines langwierigen Arbeitsverfahrens, allerdings arbeitet Berweger nicht auf der Basis konkreter Vorstellungen. Die Leipziger Künstlerin mit Heimatort Stein, AR versucht, das Bild zu verstehen, sich einzufühlen. Der Moment der Vollendung tritt dann mitunter erst nach drei Jahren ein. Anders ist es bei ihren Fladen aus Salzteig: Da muss es schneller gehen. Oft zeigt Berweger sie gemeinsam mit ihren Gemälden, in denen sie ebenfalls plastische Materialien einsetzt. Diesmal aber hängt in der Nachbarschaft ein Werk El Frauenfelders. Deren Arbeitsweise steht in denkbar grossem Kontrast zu jenen Berwegers. Frauenfelder arbeitet schnell, sie arbeitet mit dem Spachtel, sie arbeitet in einem physisch intensiven Prozess. Die Farbe wird dynamisch auf- und abgetragen.

Zwar geht die Zürcher Künstlerin von gegenständlichen Motiven aus, aber sie dienen nur als ästhetischer Ausgangspunkt. So ist den Bildern eine grosse Offenheit eigen. Die Leinwand ist nicht aufgespannt, die Spachtelhiebe sorgen dafür, dass das Bildfeld keinen festen Umriss erhält, seine sonoren Töne lösen sich immer wieder im Weiss auf – schöner Schein also statt Realismus.

Aber auch abseits der Debatte um künstlerische Vorrangstellung oder Imitation funktioniert die Ausstellung. Ihr homogener Farbklang bringt einen Dialog selbst zwischen unterschiedlichsten Werken zustande, und so erstaunlich es ist, dass diese drei Künstlerinnen noch nie gemeinsam ausgestellt haben, so schlüssig ist es nun.