Was kommt nach dem Tanz?

by Kristin Schmidt

«Matthias Strahm bitte auf die Bühne!» – im Opernhaus ist alles durchorganisiert, ganz gleich, wo auf der Welt es sich befindet. Matthias Strahm arbeitete am Schluss seiner tänzerischen Laufbahn am Opernhaus in Graz, also in einem gut geschützten Raum wie er selbst ausführt: «Es gibt feste Zeitpläne. In der Garderobe sind stets die Probesachen oder Kostüme parat. Es war für alles gesorgt, nur tanzen musste ich noch selbst.» Aber genau darin lang das Unbehagen des in Heiden aufgewachsenen Wahlschotten. Er bemerkte, dass er sich immer mehr für die Bühne und die Kostüme interessierte als dafür, den Tanz und den Körper ganz ins Zentrum zu stellen. So verabschiedete er sich schliesslich vom klassischen Ballett, um sich als Ausstatter von Bühnenstücken selbstständig zu machen. Es war ein Schritt ins Gegenteil. Während sich zuvor alles wochenlang um ein vierminütiges Solo drehte, dieses nach dem Stück aber beendet war, kreiert er jetzt Bauten, die lange stehen bleiben. Aber ist die Selbstständigkeit auch mit mehr Flexibilität als die Anstellung am Opernhaus verbunden? Strahm verneint: «Als ich mich für den Beruf des Tänzers entschied, war klar, dass auch das keine sichere Sache ist. Es gab immer nur Jahresverträge.» Strahm sieht das positiv, führte es doch auch dazu, dass er seither in 4 Ländern gearbeitet hat. Zum Tanz aber sehnt er sich nicht zurück. Das klingt bei Kate Baur anders. Die gebürtige US-Amerikanerin hatte nach ihrer Ballettausbildung Engagements bei den Ensembles in San Diego, Bonn und St. Gallen. Sie tanzte sehr gern. Doch der Spagat zwischen Beruf und Familie wurde irgendwann zu schwierig. Baur klingt wehmütig, wenn sie erzählt: «Die Ausbildung dauerte lange, doch auch der Prozess des Ausstieges war lang. Ich musste das verarbeiten.» So ging sie noch in den Tanzunterricht, bis sie merkte, dass auch dies ihrem Körper nicht mehr gut tat. Schliesslich unterrichtete sie Kinder, um von ihrer eigenen Ausbildung etwas weiterzugeben. Doch auch da kam die Einsicht ins eigene Älterwerden. Inzwischen hat Baur eine andere Form gefunden, mit ihrem Körper zu arbeiten. Sie unterrichtet in Bühler Tai Chi und Qi Gong und schätzt die Art des Atmens, des Entspannens, der Haltung, Bewegung und der Wahrnehmung. Für Cordelia Alder hingegen ist das Alter kein Grund mit dem Tanzen aufzuhören. Zwar merkt auch die Tanzpädagogin, dass sie dem Körper „immer mehr Sorge tragen“ muss, aber sie hat das Rezept dafür: Spiraldynamik. Damit werden auf Anatomie und Drehbewegung des Körpers geachtet. Die Bewegungslehre lässt sich bis ins hohe Alter anwenden: «Ältere Menschen berauchen einfach eine intelligente Bewegungsstrategie». Tatsächlich spürt Alder dank dieser Technik keine Einschränkungen. Das ist umso wichtiger als sie 20 bis 30 Stunden Unterricht pro Woche gibt – ein grosses Pensum. Körperlich kann Alder das gut bewältigen, aber es ist in anderer Hinsicht schwierig: «Ich unterrichte an fünf Abenden pro Woche, dass heisst, ich arbeite immer dann, wenn die Kinder heimkommen.» Nichtsdestotrotz, die Gaiserin geniesst ihre Arbeit nach wie vor: «Ans Aufhören denke ich noch lange nicht.»

Obacht Kultur, Nr. 19, Heft 2/2014