Reisen im Schauspielmetier

by Kristin Schmidt

Ein Kunstbeitrag zu “Mitten am Rand” – Kulturlandsgemeinde 2014 in Schönengrund

Schauspielerinnen und Schauspieler können alles sein. Sie sind präsent auf der Bühne, im Film oder im öffentlichen Raum. Sie stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit und sind doch immer Teil eines grösseren Ganzen. Denn der Schauspielberuf braucht Publikum, er braucht Regisseurinnen, Dramaturgen, Theaterautorinnen oder Souffleure.

Jeanne Devos und Karin Enzler waren an der Kulturlandsgemeinde in Schönengrund auf sich gestellt. Wie also sollten sie die Samstagsplattformen einleiten und mitgestalten? Sollten sie schlicht hinweisen? Etwas erklären und pädagogisch wertvoll sein? Aus vorhandenen Texten vorlesen oder pantomimisch agieren? Komisch sein? Die beiden Schauspielerinnen haben sich entschieden, nicht zu belehren, nicht zu deuten, nicht auf Klamauk zu setzen, sondern ganz ihrer Spiellust zu vertrauen. Sie traten auf als Vertreterinnen der Schauspielgilde und thematisierten, was sie persönlich interessiert. Sie reflektierten als Künstlerinnen einer ganz besonderen Sparte, einer, die Figuren heraufbeschwören und sie wieder gehen lassen kann, die temporär stattfindet, aber nichtsdestoweniger bleibende Eindrücke hinterlässt, einer Kunst, deren Protagonisten unterwegs sind, unterwegs in ihren Aufführungen und ebenso in ihrer Biografie: Sie müssen sich wandeln können mit jedem Theaterengagement und jedem Stück. Die Frage nach dem Mittelpunkt, dem Woher und Wohin ist also viel mehr als nur eine des Ortswechsels. Jeanne Devos und Karin Enzler thematisierten die Reisen auf Bühnen und im Leben. Sie klammerten aber auch Grundsatzfragen der darstellenden Kunst nicht aus, denn der Schauspielberuf kann nicht allein stattfinden, er steht und fällt mit der Erwartung des anderen und mit den Rahmenbedingungen. Wie sehr dürfen Schauspielende mit ihrer Rolle verschmelzen? Wie wollen sie wahrgenommen werden? Wollen sie geliebt werden? Fragen nach Identität, Präsenz und Konkurrenz sind Alltag in der Schauspielkunst. Hier hat der Beruf auch Schattenseiten. Sie auf sich zu nehmen und zu versuchen, damit umzugehen, ist eine individuelle Entscheidung, aber die Herausforderungen mindert dies nicht.

Jeanne Devos und Karin Enzler präsentierten nicht einfach ein leicht zu konsumierendes Unterhaltungsprogramm. Sondern sie reisten für dreimal zehn Minuten als Schauspielerinnen in ihrem Metier herum und brachten an die Kulturlandsgemeinde persönliche, sinnliche Erfahrungsberichte zu Rand und Mitte eines Berufes.

Obacht Kultur, Nr. 19, Heft 2/2014