Die Vier vom Schaukasten

by Kristin Schmidt

Bald ist der Schaukasten Herisau Geschichte. Dann wird die gesamte Dokumentation in die Kantonsbibliothek aufgenommen – inklusive der Schaukastenliste. Sie ist die Essenz der Arbeit.

Die Liste ist gut. Die Liste ist lang. Die Liste stimmt. 32 Namen stehen auf der A4-Seite: Künstlerinnen und Künstler, Junge und Alte, Hiesige und Auswärtige. Sie alle haben in den vergangenen acht Jahren im Schaukasten Herisau ausgestellt. Jedes Jahr wurde die Liste um vier Namen reicher. Die Qualität blieb dabei immer auf hohem Niveau. Sogar der Träger des Turnerprizes, der wichtigsten internationalen Kunstauszeichnung, steht auf der Liste: Simon Starling. So einer ist nicht einfach für eine Ausstellung zu gewinnen. Wenn diese dann in Herisau in einem kleinen Glaskasten an der Wand der Hauptpost stattfindet, macht das die Sache nicht leichter. Oder doch?

Den Schaukasten zu bespielen, war eine Herausforderung, oder wie es Matthias Kuhn formuliert: „Im Kleinen kristallisiert sich schärfer aus, wer mit Raum umgehen kann.“ Aber gerade darin liegt für gute Künstlerinnen und Künstler ein besonderer Reiz. Und tatsächlich: „im Schaukasten stimmte die Arbeit bei vielen auf den Punkt genau,“ so Kuhn. Vera Marke dazu, „der Kasten ist unerbittlich. Es gibt vermutlich viele Schaukastenmodelle in den Ateliers.“ Da wurde also intensiv vorgedacht, aber auch vor Ort blieb es schwierig, so ordnete der Künstler Costa Vece zwei Tage lang zur heissesten Zeit des Jahres seine Installation aus acht Büchern. Loredana Sperini kämpfte mit dem Schmelzen ihrer Wachsarbeit in der Sonne. Für andere wurden im Regen oder Winter Plachen gespannt. Ana Strika beispielsweise platzierte im Schneetreiben Miniaturwerke von über 40 Künstlerkolleginnen und -kollegen – und das in einem halben Kubikmeter Kasten. Für Marke „die beste Gruppenausstellung, die ich je gesehen habe“.

Auch wenn manche vielleicht mit dem Wetter haderten, waren die Ausstellungstermine sorgfältig auf die Jahreszeiten abgestimmt: Wer mit Kunstlicht oder Video arbeitete, wurde für den Winter eingeladen, wer viel Tageslicht benötigte, im Sommer. Nicht alles konnte geplant werden und kam doch gut: der Regenguss zu Roman Signers Schirmereignis zum Beispiel.

Aber nicht nur die eigentliche Ausstellungssituation hat die Kunstschaffenden gereizt, wie Matthias Kuhn berichtet: „Die Künstler haben den Auftritt bei uns immer sehr genossen. Das war Kunstbetrieb mal anders.“ Zum Kasten gehörte ein ganzes Paket, angefangen von Texten, Unterstützung beim Aufbau, Fahrdienst bis hin zur Unterkunft, und natürlich den Vernissagen. Sie waren der grosse Rahmen für den kleinen Kasten. Hier traf sich das Kunstpublikum von überall her mit den Herisauerinnen und Herisauern. Katharina Stoll-Cavelti beschreibt die „einzigartige Mischung“, denn entgegen der üblichen Gepflogenheiten im Kunstbetrieb „waren alle eingeladen“. Es gab immer das Gleiche und immer etwas anderes: Risotto und Wein in 32 Varianten. Gekocht hat Paul Knill. Der Architekt ist wie Marke und Kuhn von Anfang an dabei – Katharina Stoll-Cavelti kam einige Jahre später dazu. Knill blieb aber nicht lange nur Koch. Zum Kurator habe Knill sich hochgekocht, Kuhn lacht und es ist gut zu spüren: Hier sitzen vier zusammen, die durch die Leidenschaft zur Kunst ebenso verbunden sind, wie durch den Wunsch, diese Kunst auch an die Leute zu bringen.

Bald war Knill dabei, wenn an der Liste gearbeitet, gedacht wurde. Sie wurde schliesslich so gut, dass die Künstlerinnen und Künstler schon deswegen dabei sein wollten, weil sie sich in bester Gesellschaft befanden. Das wird nun auch von anderer Seite her anerkannt: Heidi Eisenhut wird das gesamte Schaukastenarchiv in die Kantonsbibliothek überführen, inklusive der Künstlereditionen, der Risottorezepte und der 2 Gigabyte elektronischen Daten. Die Arbeit an der Dokumentation wird die Vier vom Schaukasten noch einige Monate beschäftigen. Noch ist auch die letzte Ausstellung nicht beendet. Aber danach? Vera Marke, Paul Knill, Matthias Kuhn und Katharina Stoll-Cavelti verraten ihre Pläne noch nicht. Es bleibt spannend, auch für die Kunst in Appenzell Ausserrhoden.