Sehen und Glauben

by Kristin Schmidt

In der aktuellen Ausstellung im Nextex fügen David Berweger, Felix Stickel und Miriam Sturzenegger ihre Werke zu einem stimmigen Freiklang. Sie widmen ihn einem Zweifler.

Thomas ist der Ungläubige unter den zwölf Aposteln. Er zweifelt. Er will Beweise, statt nur zu hören oder sehen, will mit seiner Hand die Wundmale Jesu berühren. Die Szene wurde in der Malerei oft dargestellt. Ausgerechnet. Denn wie glaubwürdig wäre dem Apostel dieses Medium wohl vorgekommen? Gemalte Motive spiegeln Realität vor. Aber was, wenn die Malerei gar nicht vorgibt, etwas abzubilden? Ist sie dann, was sie ist? Würde Thomas ihr glauben?

David Berweger, Felix Stickel und Miriam Sturzenegger haben Thomas mit dem Beinamen Blumenberg bedacht und senden ihn durchs Nextex. Sie machen es ihm nicht leicht. Zum Beispiel Berweger. Der Basler Künstler spielt mit dem realen und dem illusionistischen Raum. Er faltet Papier, bemalt es, so dass es wie ein Bilderrahmen wirkt oder wie das Bild darinnen, denn mal ignoriert er den selbst vorgegebenen Rahmen, mal bezieht er sich genau darauf, dann wieder evoziert die Malerei selbst Plastizität – das alles in ein und demselben Werk.

Berweger zeigt, was die Vorstellungskraft vermag und was der Künstler dazu beiträgt. Mühelos übersetzt er die illusionistischen Techniken der Renaissance ins Heute. Statt sich aber an gegenständlichen Sujets abzuarbeiten, genügen ihm Material und Medium, um die Behauptungen der Malerei herauszuarbeiten. Und es geht noch minimalistischer: die vier Meter lange Arbeit «Inkommensurabel» entdeckt nur, wer genau hinsieht. Sie reflektiert nicht nur den Illusionismus in der Kunst, sondern gleich noch den Charakter des Raumes: Das Nextex ist Ende 2010 in einen Rohbau gezogen. Manche der Wandpfeiler zwischen den Fenstern sind noch unverputzt, aber auch die neu eingezogenen Wände und die Platten der Decke. Nur die Stösse zwischen den Platten sind ausgespachtelt. Zum Glück, denn so hat Felix Stickel den perfekten unperfekten Untergrund für sein Deckengemälde gefunden. Es überspannt den gesamten Raum und erinnert ebenfalls an die Renaissance. Zwar ist es unmöglich, es als Ganzes zu betrachten, denn der Raum des Bürogebäudes ist viel zu niedrig, aber so zeigt das Streiflicht all die Unebenheiten besser. Details kommen in den Blick: die gesprayte Farbe, deren Hindernisse und die dynamischen, breiten Pinselschwünge, der Kontrast zwischen dem Hochweiss der Spachtelmasse, dem gebrochenen Weiss der Decke und der Palette Stickels. Endlich hat es einer gewagt, sich der Raumdecke anzunehmen und gewinnt.

Ein Wagnis sind auch Miriam Sturzeneggers eigens konstruierte Raumkörper. Ihre Dimensionen sind nicht zuordenbar und doch auf das menschliche Mass bezogen. Sie umfassen grosse Volumen und sind doch filigran. Fast erinnern die gelochten Eckprofile an Spitzenborte. Auf diesen metallenen Verstrebungen liegen gegossene Gipsplatten. Sie scheinen zu schweben, und ihre Oberfläche löst sich in den Spiegelungen von Innen- und Aussenraum auf. So funktionieren sie als Gegenstück zur Decke und zum papiernen, illusionistischen Diptychon. Sind damit Thomas´ Zweifel besiegt? Vielleicht braucht er aber auch eine extra Audienz bei seinem Namensvetter Blumenberg im Nextex.