Gras und Chromosomen

by Kristin Schmidt

Sonja Bänziger stellt in ihrer St.Galler Galerie Werke von Martina Lauinger und Claire Guanella aus. Die Künsterlinnen arbeiten sehr unterschiedlich und haben doch gemeinsame Themen.

Wenn in der Kunst von Loops die Rede ist, sind meist bewegte Bilder oder eine Tonspur gemeint. In der aktuellen Ausstellung in der Galerie Sonja Bänziger bestehen die „Loops“ hingegen aus ganz handfesten Materialien. Martina Lauinger hat sie aus Stahlrohren konstruiert – komplexe Kurven, Schlaufen, Knoten. Nur schwer kann das Auge diesen Strängen aus rostigem Metall folgen. Verschlungen sind sie wie die Untiere, die dem griechischen Priester Laokoon und seinen Söhnen den Tod brachten. Dynamisch schwingen sie in den Raum hinein, um gleich darauf wieder zum Inneren des Loops zurückzukehren, eine endlose, dreidimensionale Linie. Ganz anders die „Knoten“ und „Chromosomen“. Jeweils zwei Stahlrohrstücke sind hier miteinander verknotet oder ineinander verdreht.

Mal bleiben die Rohre an ihren Enden offen, so dass sie als solche erkennbar sind, mal verschliesst die Künstlerin aus Münsingen die Enden, so dass die langgestreckten Zylinder wie massive Stahlkörper anmuten. Immer aber bestehen sie aus Stahlsegmenten, die von der Künstlerin selbst durch Schweissarbeiten in Form gebracht und anschliessend der Verwitterung ausgesetzt werden. Die Werke muten an wie Fragmente eines Rohrsystems in engen Radien und Torsionen.

Auf den ersten Blick scheinen Martina Lauingers Plastiken wenig gemein zu haben mit den Bildern von Claire Guanella. Die Genfer Künstlerin malt die wenig beachtete Pflanzenwelt urbaner Brachen. Sie inszeniert das sogenannte Unkraut grossformatig und voller Leuchtkraft vor grauem Untergrund. Dieser ist jedoch nie monoton, sondern ebenfalls durchgestaltet. Claire Guanella, die in Boston Papiertechniken lehrte und bereits in der Galerie Werkart zu sehen war, fertigt Papiere selbst, arbeitet mit bedruckten Seidenpapieren, die sie rupft, verklebt und übermalt. Das Ergebnis sind dekorative Werke. Schlichte Blumenbilder also? Bei Guanella erscheint das harmlose Motiv in anderem Licht durch ihre Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper, der urbanen Lebenswelt und durch ihre Ausbildung: Mitte der 1970er Jahre studierte Guanella Molekularbiologie an der Universität Zürich. Der Blick durchs Mikroskop prägt ihre Werke bis heute und ist auch das Verbindungsstück zu Lauingers „Chromosomen“. Die Metallplastikerin wählt die kleinen Körperbestandteile als formalen Ausgangspunkt für ihre Werke und Guanella lässt kleinste biologische Bausteine vor dunklem Hintergrund schweben. Ihre „Jardins cosmiques“ etwa zeigen Wolken aus kleinsten Zellen. Sie ballen sich wie kosmische Nebel, fliegen auseinander und leuchten vor tiefem Blau.

Sonja Bänziger bespielt mit den Arbeiten beider Künstlerinnen auch den Kellerraum der Galerie. Hier hat die Galeristin eine Serie der Malerin in eine Installation verwandelt: Drei dunkle Bildziegel hängen an der Wand, fünfmal so viele aber fallen oder sind bereits auf dem Boden gelandet. Das Vegetabile, Federgras, Rispen und Dolden, ist hier nur noch Andeutung. Wichtiger sind der Bildkörper und die Malerei selbst.