Meckern oder doch lieber Miauen?

by Kristin Schmidt

„Irgendetwas musst du doch sein“ – Pitschi und seine Suche nach dem Ich hat schon viele Kinder begeistert. Nun gastiert das Theater Roos und Humbel mit seiner gelungenen Inszenierung der Geschichte im Figurentheater.

Ritter oder Piratin, Löwe oder Pferd – Kinder können jeden Tag jemand anderes sein. Aber was, wenn das Rollenspiel nicht mehr reicht, wenn die Sehnsucht nach einer anderen Haut zu gross wird? So wie beim Katzenkind Pitschi. Unzufrieden mit sich selbst ist es, möchte gern ein anderes Tier sein. Dass das so einfach nicht geht und sogar lebensgefährlich sein kann, zeigt Hans Fischers „traurige Geschichte, die aber gut aufhört“. Das Kinderbuch ist inzwischen 65 Jahre alt und so beliebt wie eh und je. Kein Wunder, denn Identitätssuche ist immer ein grosses Thema und wurde von Fischer ansprechend umgesetzt. Die Illustrationen sind schwungvoll, die Sprache ist anschaulich und beides funktioniert perfekt zusammen. Lässt sich dem überhaupt etwas hinzufügen? Lässt es sich neu in Szene setzen? Ja, wenn die Ausstattung die reduzierte Bildsprache nicht zu überwältigen versucht, wenn die Sprache phantasievoll weitergesponnen wird, wenn jedes Detail bewusst gewählt und gestaltet ist – dann funktioniert es. So wie beim Theater Roos und Humbel unter der Regie von Siegmar Körner.

Die Zweierkompanie hat „Pitschi“, den Kinderbuchklassiker, ins Figurenspiel umgesetzt. Wortwörtlich nehmen sie den roten Faden in die Hand und verwandeln ihn in ein sanft buntes Gestrick.

Silvia und Stefan Roos beginnen langsam, erzählen, lassen die alte Lisette von ihren Tieren berichten. Schon in der Gestaltung des Dialoges zeigt sich ihr Gespür, aus Wenigem viel zu machen. Da spricht die Erzählerin mit dem Publikum, dann lässt sie Lisette zu Wort kommen. Die alte Frau richtet sich an die Kinder, dann an den Erzähler. Durch diese Perspektivwechsel weitet sich die Bühne des Figurentheaters, wird zum kleinen Haus der tierlieben Alten. Den räumlichen Mittelpunkt aber bildet ein hölzernes Rund. Es ist Bühne für die Tiere, zugleich aber spult sich hier der Erzählstrang als wollener Faden ab. Er bringt die hölzerne Scheibe in Bewegung und weist in seiner Farbigkeit dezent auf die Szenenfolge hin. Rot ist die Wolle, als der prachtvolle Filzhahn auf dem Dache Pitschi imponiert. Dann geht´s mit Grün zur Geiss auf die Weide. Überhaupt diese Geiss: Ein Kopf, ein Euter und eine geballte Ladung Sanftmut. Aber mit dem Melken und Metzgen mag sich Pitschi dann doch nicht anfreunden. Dann lieber weiter zur Ente, aber hier droht der Tod durch Ertrinken. Da wirkt das Leben der Chüngelkinder im Gras viel unbeschwerter.

Immer wieder spielen Silvia und Stefan Roos unaufdringlich mit der Sprache. So schnattert die Ente in ihrem natürlichen Idiom, die Kaninchen aber verständigen sich mit Phantasielauten, der Kaninchenvater wiederum spricht wie ein richtiger Vater Sätze, die allen Kindern und Eltern bekannt vorkommen – die Rituale zur Schlafenszeit gleichen sich allerorts. Hier wie im ganzen Stück verzichten Silvia und Stefan Roos getrost darauf, eigene Scherze für die Grossen einzubauen. Mühelos nimmt ihr kurzweiliges Spiel mit Hand-, Schatte- und Tischfiguren die Grossen wie die Kleinen mit auf Pitschis Reise zu sich selbst.