Kunst statt Käse

by Kristin Schmidt

Bei der ehemaligen Käsehalle ist ein Umbau in Sicht, doch zuvor bespielt die Guerilla Galerie den Raum. Der Zürcher Künstler Markus Kummer arbeitet die marode Schönheit des Raumes heraus.

Eine Ausstellung, die nur vier Tage dauert. Ein Lebensmittelgeschäft, das nur samstags geöffnet hat. Die Guerilla Galerie und die ehemalige Käsehalle in der Magnihalde haben durchaus etwas gemein. Nur, dass die Käsehalle vor zwei Jahren für immer schloss und in der Guerilla Galerie zwar ein Jahr lang nichts mehr zu sehen war, aber nun endlich wieder ein Ort und ein Künstler aufs Beste zusammen geführt werden.

Der Verkaufstresen, die Tablare – das wenige Mobiliar der Käsehalle wurde längst entfernt. Als Markus Kummer das Gebäude in der Magnihalde zum ersten Mal sah, war der Raum leer. Beinahe. Denn auch nach dem Auszug des Käseladens ist noch ist vieles im Raum erhalten und manches sogar neu hinzugekommen. Zum Beispiel die Eingriffe zur Gebäudesondierung: Um die Bausubstanz zu klären, wurden quadratische Stücke des Putzes entfernt. Dahinter ist das Mauerwerk zu sehen, darunter sammeln sich Staub und Steinchen. Genau diese Details interessieren Markus Kummer. Gross sind die Eingriffe des Zürcher Künstlers (*1972) nicht, aber wirksam. So gipst er etwa in eines der Sondierungsquadrate ein grosses Stück Stoff ein und verputzt die Wand an dieser Stelle neu. Der Stoff, gehalten durch Gips und Putz, hängt nun mit fast symmetrischem Faltenwurf genau  mittig an der Rückwand. Zufall und auch wieder nicht. Kummer ist aufmerksam. Er geht den Proportionen des Baus ebenso auf den Grund wie dem Material und all jenen Gegebenheiten, die das Gesamtbild der Halle formten. Und er entwickelt sie weiter.

Indem er die Mitte der Rückwand markiert, betont er die Symmetrie der Eingangsseite mit den hohen Fenstern links und rechts neben der Tür. Von dort wandert der Blick zur Decke und den an Ketten aufgehängten Neonröhren. Zumindest zu einer der beiden, denn die andere ist verschwunden. Dafür reichen die Ketten und das Kabel bis auf den Boden, ja durch ihn hindurch. Wer den Fortgang ergründen will, muss ins Untergeschoss. Dort beleuchtet nun die zweite Neonröhre den Naturkeller mit den morschen Planken, rostigen Eisenträgern und herumliegendem Güsel. Es sieht chaotisch aus, doch Kummer setzt ausbalancierte Masse dagegen und gibt dem Raum sein Gleichgewicht zurück.

Seine Interventionen sind so passgenau, dass sie mitunter gar nicht als solche erscheinen. Für „Open Source“ etwa zieht er ein Kabel durch ein gebogenes und unter Putz gelegtes Rohr. Wozu es einst diente, ist unklar, doch jetzt gehört es selbstverständlich dazu, ganz genauso wie die Glühbirne. Vorgefundenes mischt sich mit gezielt Platziertem.

Immer wieder wecken Materialien und Form Erinnerungen an die Kunst der 1960er Jahre. Kummer kennt die Quellen spätestens seit seinem Studium an der HKB Bern und verwendet sie gekonnt in neuem Kontext. Er setzt sich mit der Kunst ebenso auseinander wie mit den Konventionen der Architektur. In der Konsequenz bleibt er, statt eine Materialschlacht zu inszenieren, in der Wahl der Arbeiten bewusst ökonomisch. So wie die Guerilla Galerie mit der Zahl ihrer Auftritte. Es wäre trotzdem schön, wenn‘s bis zum nächsten nicht wieder ein Jahr dauert.