Steine, Schweine und vieles mehr

by Kristin Schmidt

Kennengelernt haben sie sich an der Kunstakademie in Amsterdam. Jetzt waren die Kunstschaffenden der Gruppe Palatti für ein Jahr im Birli zu Gast und zeigen die Ergebnisse ihrer Arbeit an der letzten Station der Ledi-Wanderbühne in Oberegg.

Zwei Schweine im Schopf? Nicht ganz. Aber Vleckie und Speckie gehören dazu, zur Ledi in Oberegg, aber sie dürfen im Gehege bleiben. Paul Steenberghe hat die beiden Ferkel ins Spiel gebracht, oder genauer gesagt zum Lotteriegewinn erkoren. Auf drei Ledi-Stationen wurden die Tiere schon versteigert und ein viertes und letztes Mal kommen sie in Oberegg unter den Hammer. So wird es bald acht neue Schweinebesitzer geben, die sich darauf verständigen müssen, was mit den Tieren passiert.

Ins Gespräch kommen, Kontakte pflegen und sich einigen – solche Prozesse sind den Künstlerinnen und Künstlern der Gruppe Palatti wichtig. Paul Steenberghe aus den Niederlanden ist einer von ihnen. Ein Jahr lang haben Palatti-Mitglieder im Atelierhaus der Schlesinger-Stiftung im Birli in Wald gelebt, gearbeitet, den Kontakt zu ihren Nachbarn gesucht und daraus erste künstlerische Konzepte entwickelt. So mündeten die alltäglichen Begegnungen für die japanische Künstlerin Mako Ishizuka beispielsweise in immer weitere Erkundungsgänge durch die Umgebung. Der Argentinier Nicolas Novali hingegen begründete eine eigene Zuchtstation für Appenzeller Spitzhauben. Die Niederländerin Betty Ras begab sich auf die Spur der Steine. Und Aurelio Kopainig aus Gais, jetzt in Zürich, legte einen Appenzeller Bauerngarten in Sternform an. Im Schopf unter der Ledi-Wanderbühne ist nun all das zu sehen.

Die gemeinsame Ausstellung ist einerseits selbst Kunstprojekt, andererseits dokumentiert sie die individuellen Auseinandersetzungen mit der Appenzeller Landschaft, den Bräuchen und Eigenheiten: Alle der acht Künstlerinnen und Künstler haben sich offen und neugierig der Gegend und ihren Menschen genähert. In den entstandenen Arbeiten zeigt sich ihr Gespür für die kleinen Dinge ebenso wie für die grossen. Ein Bauerngarten etwa mag auf den ersten Blick nichts Besonderes sein. Wenn er jedoch von einem jungen Künstler auf einem Stück Rasen reaktiviert wird, sensibilisiert er dafür, die eigene Umgebung wieder bewusst und ökologisch zu gestalten. Aber wie nun wandert der Bauerngarten in den Schopf?

Mirya Gerardu aus Bremen hat die Schopfausstellung gemeinsam mit Aurelio Kopainig konzipiert und ein Archiv entworfen. Auf langen Gestellen sind Objekte, Fotografien, Artefakte und Fundstücke zu sehen. Der Stall der Spitzhaubenhühner ist da ebenso zu sehen wie die Herbarien Ishizukas, die vielen Diaaufnahmen ephemerer Situationen Kopainings oder die zerbrochenen und wieder zusammengefügten Steine Ras´. Einen Film zeigt der Taiwanese Musquiqui Chihying. Er hat einen Schläfer samt Bett auf Reisen geschickt, der den perfekten, sichersten Ort für seine Nachtruhe sucht. Gefunden hat er ihn in einem Zivilschutzkeller. Die Argentinierin Julia Mensch hingegen hat sich schon länger mit hiesigen Traditionen beschäftigt und Appenzellerinnen zu Kaffee und Kuchen auf die Wanderbühne eingeladen. Gemeinsam wurde und wird über das Appenzeller Frauenstimmrecht gesprochen. Nicole Schmid schliesslich ist zu Gast im Palatti-Schopf. Sie gehört nicht zur Künstlergruppe, zeigt aber als gebürtige Obereggerin ihren besonderen Blick auf die Viehschauen – passend zur Saison.

Die sensiblen Annäherungen des Künstlerinnen und Künstlern an Land und Leute, an Fest- und Alltag sind ein stimmiger Abschluss der Ledi-Rundreise: Als Aussenstehenden gelingt es dem Palatti-Team Übersehenes und Allbekanntes neu ins Blickfeld zu rücken.