Gut oder Böse

by Kristin Schmidt

St.Gallen hat eine neue Galerie. Im Schatten von St. Mangen zeigt Sonja Bänziger drei künstlerische Positionen ganz unterschiedlichen Charakters und lässt sich für die Zukunft alle Wege offen.

Schwarz ist er, fragil wirkt er, aber auch standhaft. Er ist massiv und gewährt dennoch Durchblicke. Er steht über einem kreisrunden Grundriss und ist zugleich voller Formenreichtum. Seine Gestalt erinnert an den Baumstamm, aus dem er entstanden ist, und deutlicher noch an einen Turm. Doch der Turm ist an der Basis nicht breiter als am oberen Rand. Zusammengesetzt ist er aus einzelnen, gewellten Ringen. Mithin bräuchte es wohl wenig Kraft, um das übermannshohe Bauwerk umzustürzen. Doch genau dies lässt Anna Schmid offen. Die Künstlerin aus Spiez erforscht einerseits die Möglichkeiten der Holzbildhauerei mit der Motorsäge: Wieviel Material braucht die Skulptur? Wie verleihe ich der Oberfläche Tiefe. Wie feingliedrig kann ein Werk werden, ohne zu zerbrechen. Andererseits lotet sie die Grenzen zum Gegenständlichen aus. Der fragile Turm kann ebenso als Gleichnis für das babylonische Gegenstück gelten, wie er als rein sinnliches Objekt funktioniert. Oder jenes aufrechte Werk im zweiten Raum der neueröffneten Galerie Sonja Bänziger: Es oszilliert zwischen Kleid und Körper und thematisiert sich abgesehen von einer gegenständlichen Lesart die Auffächerung der geschlossenen Form bis in die Nähe zur Auflösung.

In den Gemälden von Karin Frank herrscht von vornherein formale Freiheit. Die Thunerin geht weniger konzeptuell als vielmehr intuitiv und vor allem impulsiv vor. Ihre „Lustblüten“ wollen alles Gute feiern, die florale Schönheit ebenso wie die grossen Gefühle. In schwungvollen Gesten trägt sie Bitumen und Farbe auf, legt Schicht über Schicht, setzt Akzente mit Kreide und Kohle. Da leuchtet und prangt es, da wird geklotzt und gekleckert, da werden künstlerisch schon oft begangene Pfade kaum einmal verlassen. Macht aber nichts, dekorativ ist das allemal; und Sonja Bänzigers Galerie hat ja noch einen Raum. Einen, der auf den ersten Blick nicht zu sehen ist. Einen, der Experimenten vorbehalten ist und für dessen Besichtigung eine enge Wendeltreppe begangen werden muss. Nach unten. In die Unterwelt. Dorthin, wo kein Tageslicht mehr hingelangt und jene sich tummeln, die lieber im Verborgenen bleiben, weil sie entweder Böses im Sinn haben oder ungehemmt ihrer Libido folgen. Passenderweise auf einem Laken. Dieses hat Hans Thomann allerdings über einem Tisch ausgebreitet. Der St.Galler Künstler bespielt den Kellerraum der Galerie mit seiner Installation „Last Supper“. Er hat sie eigens für den Raum und aus dem Raum heraus entwickelt. Im Zentrum bilden zwei leinenbedeckte Tische die lange Tafel, an der nun aber nicht Jesus und die zwölf Apostel sitzen, sondern auf der stilisierte Pärchen sich vereinen. Und wenn es zwar nicht ihr letztes Mahl ist, so doch vielleicht das letzte Mal, denn sie sind umgeben von Handgranaten und Teufeln. Und als wäre dies nicht schon anspielungsreich genug, fügt Thomann dem ganzen Treiben noch eine weitere Ebene hinzu: Alle Figürchen und die Handgranaten wurden im Auftrag des Künstlers in der Art böhmischen Christbaumschmuckes gefertigt und sind ausschliesslich in rot gehalten. Nun ist die Unterwanderung des Weihnachtsfestes mit ganz weltlichen Motiven mittlerweile ein gewohntes Bild, aber so explosiv kam der Baumschmuck im Einzelhandel doch noch nicht daher. Zumal einer der Teufel gar mit weg gesprengtem Haupt daherkommt.

Weihnachtsglitter und Holz, Innerschweiz und St.Gallen, formaler Anspruch und informelle Malerei, Installation und Tradition – Sonja Bänziger lässt sich mit der Eröffnungsausstellung in ihrer Galerie alle Wege offen. Besonders der Kellerraum lässt auf weitere Wagnisse hoffen.