Im Zwielicht des Sonnenuntergangs

by Kristin Schmidt

Seit acht Jahren schon wird einer der Schaukästen an der Hauptpost Herisau mit internationaler Kunst bespielt. Aktuell ist eine Installation des Zürcher Künstlers Thomas Galler zu sehen.

Schon der Titel lässt stutzen: „Palm Trees, Sunsets, Turmoil“. Klar, Sonnenuntergänge und Palmen passen zusammen wie Sofa und Fernweh. Sie entsprechen dem Klischee der heilen Welt in exotischen Weiten, all jenem, was der Alltag hier nicht hergibt und was anderswo in realen oder fantastischen Welten gesucht oder zumindest vermutet wird. Besonders der Sonnenuntergang über dem Meer ist millionenfach verwendetes Motiv. Sei es, um sich selbst zu trösten, sich woanders hinzuträumen mit dem vermeintlich unverfänglichen Sujet; sei es, um den anderen zu vermitteln: Ich habe ihn genossen, den Augenblick, den Anblick, ich war dort und siehe es war schön.

Auch in Zeiten der Digitalkameras und somit der unendlichen Reproduzierbarkeit hat der Sonnenuntergang kaum etwas von seiner Attraktivität verloren. Er ist abgedroschen, abgeschmackt, kitschig und doch das unverändert funktionierende Bild der Sehnsucht nach dem Schönen. Das gilt selbst oder vor allem dann, wenn die heile Welt unendlich weit entfernt ist. Wie in den Krisengebieten dieser Welt, im Irak etwa oder in Afghanistan. Hier treffen sie unmittelbar aufeinander: Palmen, Sonnenuntergänge und Unruhen, Turmoils.

Thomas Galler thematisiert in seinen Werken immer wieder die mediale Präsentation von Kriegen, Kämpfen, von Soldaten, Aufständischen oder Terroristen. Er setzt Magazinfotos in neue Kontexte und arbeitet so die ursprüngliche Brisanz des dokumentierten Ereignisses wieder heraus. Er zeigt im Internet verfügbare Fotografien startender Militärraketen oder Aufnahmen der Luftwaffenparade vor den ägyptischen Pyramiden und lenkt so den Blick auf die irritierende Ästhetik der Gewaltdemonstration. Er greift den sorglosen Umgang der Modeszene mit militärischen Insignien auf oder installiert ägyptische Militärbaretts als minimalistische Wandarbeit.

Für den Schaukasten Herisau hat der 1970 in Baden geborene Künstler nun eine frühere Arbeit passgenau weiterentwickelt. Bereits seit längerem sammelt er Aufnahmen des Sonnenuntergangs von Soldaten und Reportern und hatte diese in den vergangen zwei Jahren ausgestellt. Jetzt übersetzt Galler die vorgefundenen Fotografien ins Postkartenformat und mischt sie mit kommerziellen Sonnenuntergangspostkarten aus touristisch erschlossenen Gegenden. Auf den ersten Blick ist kein Unterschied zu erkennen, auf den zweiten auch nicht. Friedlich breitet sich überall der rotorange Himmel aus über Palmen oder Architektur. Nur hie und da gerät die Silhouette eines Monumentes ins Bild, aber Kampfhandlungen oder Zerstörung sind nirgends zu sehen. Doch jede Postkarte, jedes Foto zeigt immer nur einen Ausschnitt und selbst dieser ist oft nachbearbeitet, geschönt.

Die Versuchungen einer hochästhetischen Bildsprache, die Realität vergessen zu lassen, sind allgegenwärtig. Thomas Galler deckt den Hinterhalt auf, indem er selbst einen legt. Er mischt die heile Welt mit der verletzten, aber der Unterschied bleibt unsichtbar. Wer in den Schaukasten blickt, sieht die schöne Welt und mittendrin sogar ein Stückchen Himmel über Herisau.