Anthony McCall, Two Double Works, Lok / Kunstmuseum St. Gallen

by Kristin Schmidt

Das Kunstmuseum St. Gallen zeigt in der Lokremise Anthony McCalls erste Einzelpräsentation in einem Schweizer Museum. Seine raumgreifenden Lichtarbeiten sind bewegte Skulptur, Film im realen dreidimensionalen Raum, Zeichnung mit Licht und ephemere Form.

Das bewegte Bild auf der einen, der Projektor auf der anderen Seite – noch immer dominiert diese filmische Anordnung im Kino und im Kunstbetrieb. Aber spätestens seit dem Expanded Cinema der 1960er und 1970er Jahre gibt es sie: die Versuche, Projektionsgrösse und den -hintergrund zu variieren, ebenso die Anzahl der parallel projizierten Bilder oder die Position und Art des Projektors. Anthony McCall (*1946) gehört zu den Pionieren der Bewegung, und ist doch weit mehr als ein Filmkünstler. Mit „Line Describing a Cone“ hatte er 1973 aus einem Film heraus eine ephemere, animierte Skulptur entwickelt: Innerhalb von dreissig Minuten vergrössert sich ein Lichtpunkt kontinuierlich bis zur Sichel und weiter bis zum Kreis. Zugleich entsteht durch das Licht des Filmprojektors eine Kegelform im Raum.

McCalls frühe Werke wurden vielbeachtet, doch der Künstler verfolgte sie zunächst nicht weiter. Erst nach einer über zwanzig Jahre währenden Pause rückten grosse Gruppenausstellungen seinen Beitrag zur Kunst der 1970er Jahre wieder in den Fokus. McCall begann an seinen Solid-Light-Installationen weiterzuarbeiten, nun mittels digitaler Technik statt im 16mm-Film. Teilweise sind die neuen Werke vertikal von oben auf den Boden gerichtet und intensivieren so den skulpturalen Effekt. Andere Arbeiten beruhen auf Doppelprojektionen, in denen zwei Handlungen gleichzeitig, aber separat ablaufen. So ist der in der Lokremise St. Gallen gezeigte „Leaving (with Two-Minute Silence)“, 2009 ein zweiteiliger, horizontal projizierter Sold-Light-Film mit zwei Projektoren: Vor einer Klanglandschaft aus New Yorker Strassen- und Wellengeräuschen, inklusive der im Titel genannten Stille, reduziert sich eine mit Licht auf die Wand gezeichnete Ellipse um einen immer grösser werdenden Keil. Ein zweiter Keil wächst in gleichem Masse heran als positives Resultat der Reduktion. In der zweiten Arbeit der Ausstellung, „You and I, Horizontal (III)“, 2007, erweisen sich die Lichtstrahlen als Linien, Wellen, offene Ellipsen. Künstlich erzeugter Nebel verstärkt das räumliche Erlebnis der Projektionen, indem er Lichtmembrane evoziert. Die Lichtzeichnungen auf der Wand sind gleichsam der Fussabdruck der jeweiligen Lichtkegel oder -bahnen im Raum. Letztere bleiben trotz ihrer Präsenz immateriell und verleiten doch dazu, Interaktion zu suchen, die Lichthüllen zu durchschreiten, zu durchbrechen, Verwirbelungen auszulösen – die Lichtskulptur physisch zu erleben.