Bunkerbilder, Backsteinmuster

by Kristin Schmidt

In der neuen Ausstellung in der Galerie Paul Hafner sind Gemälde von Sébastien Mettraux sowie Zeichnungen und Modelle von Valentin Magaro zu sehen. Auf unterschiedliche Weise thematisieren sie Bildräume.

Bunker faszinieren. Sie wirken geheimnisvoll, weil meist verborgen. Sie versprechen ein Überleben im Kriegsfalle auf engstem Raum, ausgestattet nur mit dem Nötigsten, gewappnet gegen Druckwellen und allerlei sonstige Gefährdungen.

Angesichts der spärlich oder gar nicht möblierten, fensterlosen Räume in den Gemälden von Sébastien Mettraux stellt sich rasch die Assoziation zu Bunkern ein. Wände, Böden, Decken, Pfeiler, Unterzüge, alles ist grau in grau gehalten. Nur die Rohrleitungen bringen Farbe ins Spiel, ebenso die gelagerten Container und Boxen.

Ausserdem – und hier beginnt die scheinbar so offensichtliche Deutung zu wanken – die Spiegelungen auf dem Fussboden. Ein blitzblanker Bunkerboden? Rasch wird deutlich, dass es dem 1984 geborenen Künstler gar nicht darum geht, unterirdische Schutzanlagen zu porträtieren. Vielmehr nutzt er die besondere Raumsituation, um kompositorische und perspektivische Untersuchungen zu starten. Er fügt Flächen in minimal variierten Graustufen zueinander und erzeugt Tiefenräumlichkeit. Er lässt Linien stürzen, löst rechte Winkel auf und bringt somit Dynamik in die statischen Räume.

Der Akkuratesse der Architektur setzt Mettraux die beinahe zarten, ephemer wirkenden Reflexionen entgegen. Schatten oder nebeneinander gestellte Gitterbetten münden in Raster- oder Flächenüberlagerungen. Die Atmosphäre des Raumes ist bei Mettraux viel weniger Thema als vielmehr die räumliche Struktur und die Konstruktionsarbeit auf der Leinwand.

Auf den ersten Blick scheinen sie wenig gemein zu haben mit den ebenfalls in der Galerie ausgestellten Werken von Valentin Magaro. Zwar ist auch von dem Winterthurer Künstler ein Bild zu sehen mit einem spannungsvollen Innenraum – der jedoch noch viel weniger zu deuten ist. Die Linien fallen endlos in die Tiefe, Schreine und Säulen sind keiner Funktion zuordenbar. Der Hintergrund driftet ins Unendliche ab. Dominant sind ausserdem die rätselhaften Gestalten: eine Frau, die scheibenartige Seifenblasen in die Luft pustet, Heuschreckenfrauen, die an Science-Fiction-Figuren und in ihrer Reihung an die Musikvideo-Ästhetik der 1990er-Jahre erinnern.

Von all dem hat sich Magaro inzwischen gelöst – dieses Gemälde ist bereits sechs Jahre alt. Die aktuellen Werke des Künstlers wirken deutlich subtiler, auch wenn sie zum Teil nah an der Realität bleiben. Besonders ins Auge fällt etwa eine dreiteilige Zeichnungsserie einer Frau in sexueller Pose. Die Dargestellte ist einzig durch ein Strichnetz visualisiert, nicht einmal Konturen sind nötig. Die bis auf den Millimeter genau gesetzten Linien bilden in ihrer geometrischen Präzision ein kalkuliertes Gegenteil zur Vitalität des Sujets.

Besonders bemerkenswert bei Valentin Magaro: In einer Zeit, in der es gang und gäbe ist, dass sich Künstler aus dem immer grösser werdenden Fundus der medialen Bildwelten bedienen, schöpft der Künstler sein gesamtes Motivrepertoire entweder aus der eigenen Phantasie oder arbeitet nach dem lebenden Modell. Dass dennoch immer wieder Bekanntes aufzutauchen scheint, liegt am kollektiven Bilderschatz. Oder wie es Magaro nennt: der permanenten Beeinflussung. In dieser Vielfalt sieht sich der Künstler als Regisseur, der Ordnung ins Chaos bringt oder zumindest eine Choreographie entwickelt. Versatzstücke, Fragmente werden spielerisch kombiniert, und so wird hier wie bei Mettraux letztlich Konstruktionsarbeit verrichtet. Sogar bis in den dreidimensionalen Raum hinein. Magaros Modelle aus Papier mit ihren backsteinhaften Liniennetzen, fensterlos und blockhaft, wirken in dieser Doppelausstellung wie eine Brücke zwischen beiden Positionen.