Kunst in Schieflage

by Kristin Schmidt

Das Nextex präsentiert in der Ausstellung „Liquid Becomes Solid“ aktuelle und eigens geschaffene Werke von Saskia Edens, Monica Germann und Daniel Lorenzi. Zu sehen sind lustvoll inszenierte Balanceakte und Abgüsse.

Wenn Flüssiges fest wird, ändert sich nicht nur der Aggregatzustand, sondern auch die sichtbare Oberfläche, genauso wie die Haptik und meistens auch die Form. Doch eine Pfütze bleibt eine Pfütze, auch wenn sie gefriert.

Saskia Edens (*1975) arbeitet mit flüssigem Zinn. Mit einem Kompressor schiesst sie das Metall auf Gegenstände. Es fliesst über Schriftzüge und Lederporen, umgibt Druckknöpfe und Verzierungen. Entfernt die in Basel lebende Künstlerin dann den beschossenen Gegenstand, bleibt sein detailgetreuer Abdruck bestehen, gebildet und umhüllt von einer Schicht silbrig schimmernden Zinns. Nicht nur die Objektform zeigt sich, sondern auch der künstlerische Prozess: Die flüssigen Metalltröpfchen gerinnen zu eigenständigen Strukturen. Die klar umgrenzte Gestalt des Objektes breitet sich wuchernd in den Raum hinein aus.

Edens erzeugt eine Negativform, die zugleich ein Positiv ist. Besonders eindrücklich zeigt sich dies im Nextex in den abgegossenen Foto- und Filmapparaten. Wie eine Schar deformierter Flugobjekte hängen die Kameraabgüsse an transparenten Schnüren, eine jede getragen von einer erstarrten Metallpfütze. Von der Raummitte aus sind die Gehäusedetails und Objektive zu sehen. Mit letzteren richtet sich der dutzendfache Blick aus dem Fenster des Ausstellungsraumes und plötzlich fällt die Überwachungskamera des Blumenbergplatzes ins Auge. Kameras beobachten Kamera oder umgekehrt, denn die Perspektive richtet sich mit der Aussenkamera wieder nach innen. Hier trifft sie als erstes auf eine fragile Holzkonstruktion. Schräg in den Fensterrahmen geklemmte Bretter stützen einander, werden von kleinen Keramiken gehalten und tragen diese wiederum. Alles erscheint in einem labilen Gleichgewicht. Monica Germann (*1966 in St. Gallen) und Daniel Lorenzi (*1963) haben es inszeniert und mit kleinen Keramikversionen grosser Designklassiker bestückt. Auch einer von Saskia Edens Modellautoabgüssen findet hier seinen Platz und dies ist nicht die einzige Schnittstelle innerhalb der Ausstellung. Auch die Pfützen wiederholen sich. Bei Germann und Lorenzi bestehen sie aus Kaltplastik zur Fahrbahnmarkierung. Diesmal tragen auch die Pfützen Möbelmodelle – das Formlose als Basis des Geformten.

Die beiden in Zürich lebenden Künstler spielen lustvoll mit Zitaten aus Kunst- und Designgeschichte, durchsetzen sie mit eigenen Formerfindungen und bringen so manches in wörtlich verstandene Schieflage. Mal sind die Balanceakte real, wenn etwa eine Stütze gestützt werden muss. Mal sind sie Element der vielschichtigen Wandmalereien, wenn etwa der Kunstkosmos von Monet bis Giacometti davon zurollen droht. Mal geraten sie an den Rand kippender Gedankenwelten, wenn im Wandgemälde ein ondulierter Gestalter mit irrem Blick den Freischwinger fixiert und über ihm der Sesselklassiker mit abgeknickten Beinchen käfergleich zappelt.

Der Entdeckungen sind viele möglich und einige sogar käuflich: Die drei Künstler haben im kleinen Nextexraum einen T-Shirt-Laden eingerichtet mit eigens geschaffenen Unikaten.