Michaela Müller, Transit

by Kristin Schmidt

Transit, 2012, zwei synchronisierte Videoprojektionen, Animation auf Glas gemalt, Sound Design: Fa Ventilato

Hotels und Flughäfen sind Orte für Reisende. Doch während erstere dem zeitweiligen Bleiben dienen, sind letztere reine Durchgangsstationen. Wer auf dem Flughafen ankommt, will weiter, will nicht bleiben, will weg oder heim. Die Menschen eilen von Flug zu Flug, von der Passkontrolle zum Gate, von Gate zum Gepäckband, vom Gepäckband zum Zoll. Sie sind unterwegs.

Michaela Müller (*1972) hat sich auf die Menschenströme am Flughafen eingelassen. Tagelang hat sie dort, wo fotografieren verboten ist, gezeichnet, hat Notizen und Skizzen angefertigt und Töne aufgenommen. „Transit“ ist ein Kondensat der festgehaltenen Eindrücke. Statt Geschichten übers Reisen zu erzählen, fängt der in einer Endlosschleife sich wiederholende Animationsfilm die Flughafenstimmung ein. Michaela Müller verzichtet auf detaillierte Bilder oder Szenen zugunsten einer atmosphärischen Darstellung des Unterwegsseins.

Die in Zagreb und Reute lebende Künstlerin arbeitet mit Gouachefarbe auf einer schräg gestellten Glasplatte. Die entstehenden Bilder sind keine Einzelansichten, sondern gehen ineinander über, verändern sich ständig und lösen sich im nächstfolgenden Pinselstrich wieder auf. Die Farbmaterie fliesst, läuft herunter, hält niemals still. Nur eine waagerechte Linie bleibt konstant zu sehen. Ist sie der Handlauf eines Rollbandes? Viel wichtiger als ihr gegenständlicher Bezug ist ihre Wirkung: Sie verbindet die beiden Projektionen und gibt dem Film sowie den Figuren visuellen Halt.

Die Reisenden bleiben in Bewegung. Sie ziehen und stossen ihre schweren Koffer, halten auch inne, wenn die Last zu dazu zwingt. Manch einer hat es eilig, läuft schneller als andere, nach vorn gestemmt unter dem Gewicht des Gepäcks. Andere wirken gelassen, gehen aufrecht. Ein Kind wird flugs in die Arme genommen, da es zu langsam geht im Strom der Erwachsenen.

Innerhalb der Endlosschleife gleichen sich die Bilder, wiederholen sich auch. Michaela Müller hat bei „Transit“ bewusst auf einen Anfang verzichtet: „Bei einem Video bestimmt der Betrachter, wie lange das dauert, was der Künstler erzählt.“ Jederzeit ist der Einstieg in den Film möglich, ebenso wie der Ausstieg. Immer wieder laufen die blau auf weiss gezeichneten Gestalten über die beiden Monitore – mal mehr, mal weniger schemenhaft, manche mit einem Nachbild als wehrten sie sich gegen ihr Verschwinden. Anonym bleiben die Figuren aber alle. Wie im Flughafengetümmel verschwindet der Einzelne in der Menge. Individuelle Befindlichkeiten gehen in der allgemeinen Hektik unter. Sie zählen am Flughafen nicht, aber wer fliegen will, nimmt dies auf sich – wohl oder übel.

Text zur Kulturlandsgemeinde, 2013, „wohl oder übel“