Wolkeneisberg auf dem Wasser

by Kristin Schmidt

Stefan Rohner zeigt zum Auftakt der Serie «Rendez-vous Ostschweizer Kunstschaffender» aktuelle Arbeiten im Kornhaus Rorschach. Der St. Galler Künstler untersucht dabei das ästhetische Potenzial von PET-Abfall.

rorschach. Sanft schaukelnd treibt eine transparente Wolke auf dem Wasser. Sie geht nicht unter, sie löst sich nicht auf, sie steigt nicht empor. Sie ist einfach da, bewegt durch Wellen und Wind, begleitet von sphärischen Klängen.

Stefan Rohners jüngste Videoarbeit ist ebenso poetisch wie einfach, ebenso real wie rätselhaft. Der Ausgangsstoff ist wenig exotisch: transparente, zusammengeklebte PET-Verpackungen.

Was primär als Abfallproblem wahrgenommen wird, hat durchaus ästhetische Reize: PET lässt sich in nahezu jede Form bringen, ist leicht, farblos und lichtdurchlässig. Die Transparenz der schwimmenden Skulptur trifft sich mit jener des Wassers. Transformiert in eine Videoaufnahme kann sie der Betrachter sogar unter dem Wasser beobachten. Langsam wurde sie mit der Kamera von allen Seiten aufgenommen, aus der Ferne betrachtet und herangezoomt, bis ins Innerste hinein fokussiert und schliesslich geloopt.

Aktuell treibt das PET-Objekt im Rorschacher Kornhaus im Rahmen einer Ausstellung des Vereins Kultur-Frühling Rorschach – gegenüber der Projektionsfläche öffnen Fenster den Blick zum wenige Meter entfernten Bodensee. Damit noch nicht genug, die Leinwand selber gehörte Stefan Rohners Onkel, der als Schiffsfotograf auf der Hamburg-Amerika-Linie die Reisen dokumentierte und auf eben jener Leinwand seine Vortragsbilder zeigte. Gar nicht so unwahrscheinlich also, dass hier bereits richtige Eisberge projiziert wurden, bevor nun Rohners eisberggleiche Skulptur hier zu sehen ist.

Es sind zahlreiche derartige Bezüge, die sich aus den Arbeiten ergeben. Und so ist denn auch der Haufen aus weissen Luftballons in weissen Plastiksäcken viel mehr als eine Kumulation eben dieser Dinge. Mühelos verwandelt er sich zu einem knisternden Berg aus Schneebällen, der in seiner Präsenz selbst neben der grossformatigen, tönenden Projektion besteht. Überhaupt ist das Spiel mit den Medien, die Überblendung der Ebenen ein Thema im Werk Stefan Rohners.

So existiert eigentlich jedes Werk in mehreren Phasen, beginnend mit seiner Herstellung, die dem St. Galler Künstler nicht als reiner Akt des Machens gilt, sondern als Schöpfungsprozess wichtig ist. Nur so lässt sich das Material erfahren und transformieren. Dann gibt es die Phase der Installation und Aufnahme, wenn etwa der Mantel in einem Raum in Szene gesetzt und fotografiert wird oder die PET-Wolke im See baden darf. Schliesslich jedoch die fertige Arbeit, die wiederum das Objekt auf adäquate Weise präsentiert. Eine Spezialität von Rohner sind in Skulpturen verwandelte Monitorarbeiten. Und so flimmert auch im Kornhaus ein Video aus einer Röhre mit Silberfolie heraus. Alles in allem ist hier auf kleinem Raum ein homogenes ästhetisches Konzept in grosser medialer Vielfalt zu sehen.