Kunstmuseum St. Gallen: Filipa César –Single Shot Films

by Kristin Schmidt

Das Kunstmuseum St. Gallen präsentiert die erste Einzelausstellung von Filipa Cesar in einem Schweizer Museum. Die portugiesische Künstlerin untersucht ausgehend von ihrer portugiesischen Heimat die Entkolonialisierung Guinea-Bissaus.

Armando Lona blättert ein altes Fotoalbum durch. Behutsam streicht der Journalist und Archivar die Seiten um. Ab und an deutet er auf eine der vielen kleinformatigen Schwarzweissaufnahmen um knapp zu erklären, wer oder was darauf zu sehen ist. Nur dann, wenn er auf die politischen Ereignisse in Guinea-Bissau zu sprechen kommt, beginnt er wortreich zu erzählen und unterstreicht das Gesagte mit seinen Gesten. Hände und Stimme des Erzählenden sind die wesentlichen Elemente von „The Embassy“. Der Film ist ein Ergebnis der Recherchen Filipa Césars (*1975). Die Künstlerin arbeitet das Filmschaffen in Guinea-Bissau auf. Als sie sich mit der Salazar-Diktatur in ihrer portugiesischen Heimat auseinandersetzte, wuchs ihr Interesse für die koloniale Vergangenheit des Staates. In Guinea-Bissau stiess sie 2011 auf ein verwahrlostes Filmarchiv mit unzähligen Rollen sich bereits zersetzenden Filmmaterials über den Unabhängigkeitskampf. Sein wichtigster Protagonist, Amilcar Cabral, wertete den Film als Mittel zur Bildung eines neuen nationalen Bewusstseins und beauftragte Filmschaffende mit der Dokumentation der Revolution. Cesar liess 40 Stunden Film- und 200 Stunden Tonmaterial in Berlin digitalisieren und gab Original und Kopie zurück. Sie rettete nicht nur die Filme vor dem Zerfall, sondern entwickelte daraus Arbeiten, die nun in ihrer ersten monografischen Museumsausstellung in der Schweiz zu sehen sind. Gemeinsames Merkmal sind der Respekt und der aufmerksame, direkte Blick der Künstlerin gegenüber dem Material. In „The Embassy“ ergeben sich die Verschränkungen der Zeit- und Bildebenen sowie der persönlichen und kollektiven Erinnerungen wie von selbst. In der Trilogie „Luta Caba Inda“ (Der Kampf ist noch nicht zu Ende) kommen durch Referate und Filmvorführungen in Berlin weitere Sichtweisen und Reflektionsebenen hinzu, ohne in der Gefahr des Eurozentrismus zu erliegen.

Cesar arbeitet ausgehend von subjektiven Ansatzpunkten wie einer Fotografie, einer Briefmarke oder auch einer Freundschaft. In der Folge entsteht ein dichtes Geflecht von gesellschafts- und medienkritischen, aber auch geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen. Diesen wird die St. Galler Ausstellung mit einer offenen, grosszügigen Präsentation gerecht. Projektionswände sind nur angelehnt, auf zusätzliche Wände wurde verzichtet, Originalmaterialien werden einbezogen. Der Gang durch die Ausstellung ist ein sinnliches und intellektuelles Erlebnis.