Spiel mit Schnittstellen

by Kristin Schmidt

In der Galerie Paul Hafner sind neue Werke von Pascal Seiler zu sehen. Der Walliser Künstler experimentiert mit Landschaft und Farbe.

Formt der Himmel den Berg? Oder formt der Berg den Himmel? Es kommt darauf an. Wird der Himmel mit dem Wetter assoziiert, mag das eine stimmen, wenn aber die Kontur der Horizontlinie betrachtet wird, das andere. In der Landschaftsmalerei müsste folglich die Form des Himmels stets der Silhouette des Berges geschuldet sein. Dieser Logik  verweigern sich Pascal Seilers Gemälde. Der 1965 in Steg im Wallis geborene Künstler lotet in seinen Gemälden beide Möglichkeiten aus. Mal schiebt sich ein hellblauer Halbkreis in eine grau-weiss strukturierte Fläche, die nur noch entfernt an schneebedeckte Felsen erinnert. Mal wachsen gipfelartige Zacken ins lichte Blau. Mal senkt es sich herab. Oder alles beginnt, sich umeinander zu drehen. Das Himmelsblau erscheint wie ein weit entfernter Punkt oberhalb eines riesigen Strudels. Wann ist der Himmel noch als solcher erkennbar? Ab welchem Abstraktionsgrad funktioniert dies nicht mehr?

Pascal Seiler hat bereits in früheren Werkphasen die visuelle Prägnanz der Landschaft studiert. Der Walliser Künstler übermalte Landschaftsdetails mit feinem Raster bis sie beinahe verschwanden; aber doch nicht ganz. Auch seine aktuellen, in der Galerie Paul Hafner ausgestellten Bilder sind in jenem Bereich angesiedelt, wo sich die Landschaft gerade noch oder schon nicht mehr fixieren lässt. Per Bildbearbeitungsprogramm wird die fotografische Vorlage verzerrt und dann vergrössert in Airbrushtechnik auf die Leinwand aufgetragen. Mit diesem letzten Schritt, der Übersetzung des digitalen Bildes, reiht Seiler seine Werke in die lange Tradition der Landschaftsmalerei ein. Daneben nutzt er Wege der Landschaftsdarstellung, die nur wenigen offen stehen. Seiler ist Helikopterpilot und hat vor einem seiner Flüge das Cockpitfenster mit Sternen beklebt und in der Luft gegen den Himmel fotografiert. Das wahrgenommene Grössenverhältnis von Sternen und Mond verkehrt sich so ins Gegenteil.

Immer wieder spielt Pascal Seiler mit derartigen Verschiebungen. Seine „Skystones“ haben die Form von Steinen, die Farbe des Himmels und sind Polyesterobjekte an der Wand. Daneben geht über Bergen eine rosafarbene Lawine herunter. Eine Christbaumkugel bohrt sich in einen silbernen Ballon. Und zwischen all dem sitzt ein rosafarbener Hase, einen Ballon zwischen den Läufen, auf einer Zitrone – ebenfalls in Rosa. Die langen Ohren stehen aufgereckt und in steifem Kontrast zu den quellenden Formen unter ihm. Die Assoziationen nehmen unwillkürlich ihren Lauf und das sollen sie, obgleich der Künstler für sich in Anspruch nimmt, zumindest die Farbe ohne alle Hintergedanken gewählt zu haben. Hingegen leben die zweidimensionalen Wolken an der Wand hinter dem Hasentier vom bewusst kalkulierten Kontrast zwischen Rosa und Blau. Oder wie es der Pilot Seiler ausdrückt: „Hier stossen Kaltfronten an Warmfronten und an den Schnittstellen passiert etwas Kräftiges.“

Wer die Schnittstellen in der Ausstellung sucht, sollte sich unbedingt zwischen die beiden Fenster des Galerieraumes stellen und den Blick in den Raum richten, nur so offenbart sich die ausgesprochen gute Hängung der Werke durch den Galeristen. Sie erst zeigt sowohl die kalkulierten als auch spontan entstehende Querbezüge: Ballon gesellt sich zu Ballon, Oval zu Oval, Blau korrespondiert mit Blau, Silberballon mit Silberstein, Stein mit Berg. Wer dann noch ein kleines Stück nach links wechselt, entdeckt zweimal Rosa und zwei Täler – den Wettbewerb um die tiefste Schlucht gewinnen die Hasenohren.